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Interview mit Katharina Haizmann

Interview mit Katharina Haizmann

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Frank Di Marco
Frank Di Marco vom 13.04.2022
Bier ist in aller Munde. In den letzten Jahren hat sich die Vielfalt an Bieren stetig vergrößert. Als Diplom Biersommelier zeige ich Euch diese Vielfalt.
KATHARINA HAIZMANN ist Braumeisterin, Biersommelière und Juniorchefin bei der Hochdorfer Kronenbrauerei. Diese wurde 1654 in Hochdorf bei Nagold gegründet und wird von der Familie Haizmann in der mittlerweile zwölften Generation geführt.

Für Katharina Haizmann folgte nach dem Abi ein BWL-Studium in Jena, Ludwigshafen und Finnland und schließlich Stationen in Chicago und Gräfelfing, wo sie die Ausbildung zum Brau- und Malzmeister absolvierte. 
Für unsere Serie "Wenn Frauen brauen" sprach Bierentdecker Biersommelier Frank Di Marco mit ihr über Frauen in der Bierszene, Craft Beer, das Reinheitsgebot und Zukunftswünsche. 
 

Ab wann war Ihnen denn eigentlich klar, dass Sie in die elterliche Brauerei einsteigen?

Als Schülerin habe ich immer schon mitgeschafft im Betrieb. Während dem Abi habe ich dann überlegt, was ich studieren will. Ich habe mich für BWL entschieden. Jeder erwartet von einem, dass man in den Betrieb einsteigt.

Ich habe mir aber Zeit gelassen, konnte in den Semesterferien mitarbeiten, mit dem Außendienst mitfahren, war in der Technik dabei, bin als Urlaubsvertretung eingesprungen und hab dadurch viele Facetten im Betrieb kennen gelernt. Und als ich gesagt habe, "Ja, das passt für mich" wurde dann auch das neue Sudhaus gebaut. 


Wann haben Sie Ihr erstes Bier getrunken?

Ich durfte als Kind schon immer den Finger in den Schaum stecken. Zur Konfirmation gab es bei uns traditionell ein Glas Bier und einen Stumpen – dann war das Thema Rauchen auch gleich für mich erledigt. 

Was gefällt Ihnen an der Arbeit in der Brauerei?

Sie ist unheimlich vielseitig. Bei einer kleinen Brauerei wie unserer hat man von der Beschaffung der Rohstoffe bis hin zum Weiter- und Endverkauf an die Kunden alles im Blick. Du hast mit Landwirten zu tun, mit Ingenieuren im Bereich der Technik, mit Gastronomen von der Eckkneipe bis zum Sternekoch, bei den Händlern vom kleinen Lädchen bis zum großen Lebensmittel-Filialisten. Man muss sich auf jeden neu einstellen. Das ist unheimlich vielseitig und spannend.


Abgesehen vom eigenen Betrieb: Was fasziniert Sie an der Bierbranche?

Bier ist Emotion. Jeder hat eine subjektive Meinung zum Bier. Jeder weiß was dazu. Jeder, der eine Flasche öffnen kann, hat das Fachwissen schlechthin. Es ist ein Produkt, das besonders ist. Uralt und gleichzeitig wird die modernste Technik verwendet.
Auf der einen Seite war es früher komplett Frauen-dominiert, wurde dann komplett männlich. Jetzt erobern sich die Frauen Stück für Stück zurück. 

Ist es eine faire Branche?

Es gibt schon Ellbogen-Kollegen, so wie überall. Aber wir haben zum Beispiel einen Juniorenkreis mit 40 bis 50 Brauerei-Junioren überwiegend aus Süddeutschland. Einmal jährlich treffen wir uns, um uns auszutauschen, gemeinsam etwas zu unternehmen und Kontakte zu pflegen, für die im Alltag oftmals wenig Zeit ist. Über unsere WhatsApp-Gruppe bleiben wir auch den Rest des Jahres im Kontakt und wenn man in der Nähe ist trifft man sich natürlich gerne mal auf ein Bier.
So sind zum Teil richtige Freundschaften entstanden und man hilft sich auch gegenseitig aus.


Was gefällt Ihnen nicht an der Branche? Was sollte man ändern?

Man könnte sich innerhalb der Branche ein bisschen mehr zusammentun und an einem Strang ziehen. Warum muss sich das mit den Individualflaschen so hochschaukeln? Wenn man sich auf ein paar Standardflaschen einigen würde, da wären viele kleine auch sofort mit dabei. Es ist ein großer Aufwand, das Leergut zu Sortieren, sowohl für uns als Brauerei als auch für die Getränkehändler. Aber nicht nur beim Thema Leergut, auch in anderen Bereichen gäbe es bestimmt viele Möglichkeiten sich zusammenzutun. 

Hat man es als Frau schwerer in der Branche?

Als ich angefangen habe, haben schon ein paar ältere Getränkehändler gefragt "Was will denn das Mädle da?". Am Anfang wurde mir nicht wirklich zugetraut, dass ich Ahnung vom Bier habe. Aber das ändert sich.


Würden Sie gerne mehr über Frauen in der Bierszene lesen?

Ja, denn es würde zeigen, dass Bier nicht rein männlich ist. In der Schulzeit wurde ich gefragt: "Du trinkst ein Bier? Das sieht doch bei Frauen unmöglich aus!". So etwas hat sich zum Glück wieder etwas gegeben, bei meiner kleinen Cousine, die 15 Jahre jünger ist, war das nie ein Thema - das Getränk nur nach der Optik auszusuchen. Ich glaube manche Frauen haben sich vielleicht auch einfach nicht so richtig an das Thema Bier herangetraut, oder haben nach Pils und Weizen einfach nicht weiter probiert - dabei gibt es so viele verschiedene Bierstile und für jeden Geschmack das richtige Bier!

Glauben Sie an eine Unterscheidung zwischen Frauenbier und Männerbier?

Man sagt ja immer, Frauen mögen es nicht so bitter. Dann sind es aber oft die Pilsbiere oder IPAs, die Frauen mögen. Bei Verkostungen habe ich miterlebt, dass die Frauen da oft offener rangegangen sind als die Männer. 


Welchen Bierstil würden Sie wählen, wenn Sie bis ans Ende Ihres Lebens nur noch einen Bierstil trinken dürften?

Das wäre eine furchtbare Vorstellung, da ich ein Lust- und Laune-Trinker bin. Das heißt: Je nach Gefühlslage und nach dem was es zu essen gibt, entscheide ich mich für ein Bier. Also möchte ich mir gar nicht vorstellen, wie es wäre immer nur das gleiche zu trinken.

Okay, dann anders: Welche Bierstile sind Ihnen lieber als andere?

Was immer passt ist für mich tatsächlich ein Pils. Aber es muss schlank sein und darf nicht ins Böhmische rein gehen. Da bin ich sehr sensibel. Pils geht immer. Ich vergleiche das gerne mit dem Essen. Schwäbische Küche geht immer und drüber geht nichts – zwischendurch muss es aber auch mal Sushi oder sonst etwas Gutes aus dem Rest der Welt sein.Was ich auch mag sind alle Biere, die stark hopfenbetont sind. Die dürfen auch ins Fruchtige gehen, vom sommerlichen Pale Ale bis hin zum starken IPA. Das sind die, auf die ich ganz schwer verzichten könnte. Sauerbiere trink ich unheimlich gerne als Aperetif. Was ich glaube ich nicht vermissen würde, wäre ein Rauchbier. Da verspüre ich so selten die Lust darauf, da könnte ich drauf verzichten. Das gleiche gilt für Stout, wenn es zu Röstmalz-intensiv ist. Davon bekomme ich immer Kopfweh.


Haben Sie ein Lieblingsbier?

Das sind natürlich unsere eigenen Biere. Die Pilskrone war von Anfang an meins.
 

Würden Sie sich als Craft Brauerin beschreiben?

Wir sind eine handwerkliche Brauerei und arbeiten gleichzeitig mit modernster Technik. Wir bleiben eng am Produkt dran und machen uns auch Gedanken, wo die Rohstoffe herkommen. Über das Thema Regiokorn und die QZBW-Zertifizierung bekommen wir qualitativ sehr hochwertiges Getreide. Unser eigener Hopfengarten deckt durch die Erweiterung in 2021 fast 100% unseres Bedarfs ab, je nach Ernte und Bierverkauf. Das gehört für mich auch alles zum Thema Handwerk dazu. Ich kann modernste Technik einsetzen und trotzdem als Mensch eng am Produkt dran sein – vom Rohstoff bis zur Rampe. Das wichtigste ist, dass ich mein Bier nicht aus den Augen verliere unterwegs. Außerdem sind unser Unternehmen und unsere Produkte klimaneutral zertifiziert, das erreichen wir unter anderem durch unsere eigene Photovoltaikanlage. Auch auf die SlowBrewing Zertifizierung sind wir sehr stolz.
Mehr zu Slow-Brewing erfahren

Bei Craft Bier erwartet man immer besondere sensorische Eindrücke. Sehen Sie das auch so?

Leider ist der Begriff Craft missverständlich benutzt worden in meinen Augen. "Craft" bedeutet eigentlich nichts anderes als "Handwerk" im Englischen. Am Anfang haben die meisten Craft Brauer in den USA alte Bierstile gebraut, die Sie wiederbelebt haben – und erst später ist diese Szene immer mehr ins Extreme gegangen. Dadurch ist das Craft Beer nun im Bereich der Spezialitäten angesiedelt, aber es hat einen ganz anderen Hintergrund. 
Im Deutschen können wir das viel besser definieren, weil wir nicht den krassen Wandel der Amerikaner mitgemacht haben – in den 70ern gab es in den gesamten USA noch 30 oder 40 verschiedene Braustätten und jetzt sind es an die 9.000, das ist eine ganz andere Geschichte. Bei uns könnte man eine Definition wie "Handwerkliche, besondere Biere" wählen – da müsste man sich auf einen Begriff einigen. Weil handwerklich bei uns noch mal eine ganz andere Bedeutung hat. Wir waren nie dominiert von reinen Braukonzernen, wo der Mitarbeiter nur noch ein paar Knöpfe drückt und eigentlich das Bier gar nicht mehr richtig wahrnehmen kann.

Wie stehen Sie zum Reinheitsgebot?

Ich find es unheimlich wichtig, aber ich wäre auch für eine Erweiterung um ein Natürlichkeitsgebot. Das heißt für mich: Alle typischen Reinheitsgebots-Bierstile müssen für mich nach dem Deutschen-Reinheitsgebot gebraut worden sein. Darauf muss ich mich verlassen können.
Was ich aber auch mag: Bier mit vergorenen Früchten oder Kräutern. Alles, was auf dieser Natürlichkeitsskala ist. Zum Beispiel ein schönes belgisches Witbier mit Orangenschalen. Warum denn nicht? 
Ich kann mir das wie zwei Kreise vorstellen: In der Mitte ein Kern aus dem Reinheitsgebot und drumherum erweitert durch einen Kreis zum Natürlichkeitsgebot. Auch, um alte Bierstile nicht auszuschließen. Denn das ist ja nichts neues, dass man auch Kräuter und andere natürliche Rohstoffe verwendet. 
Was für mich dagegen nichts im Bier verloren hat: Chemische Zusätze und alles, was künstlich ist. Und wenn es ein Radler sein soll, dann bitte ohne Süßstoff und mit "richtigem" Zucker!

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Bierbranche? 

Mir würde es gefallen, wenn die Wertschätzung für Bier eine andere wäre – und zwar nicht nur bei ein paar wenigen. Wenn man zum Beispiel bei einem guten Essen auch an gutes Bier denkt. Oder bei einem wichtigen beziehungsweise freudigen Anlass nicht nur Sekt oder Champagner trinkt, sondern einfach auch mal so frei ist und sagt: "da passt ein gutes Bier dazu!". Einfach die Offenheit zu haben, bei einem Sektempfang Bier zu bestellen. Wenn einer den Anfang macht, trauen sich auch ein paar andere.
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